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Glückwunsch

"Guten Morgen, mein Schatz. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Wie fühlt man sich so ein Jahr älter? Komm, sieh dir deine Geschenke an. Der Tisch ist auch schon gedeckt. Möchtest du zur Feier des Tages ein Ei ? Weich oder hart ?" Ist es schon wieder so weit ? Ist das Jahr schon wieder vorbei ? Und?, wollte ich meinen Geburtstag dieses Jahr nicht ruhiger angehen oder war es nicht, dass ich ihn gar nicht feiern wollte ? Egal, erst mal die Bettdecke über den Kopf und so tun, als hätte man nichts gehört. 

"Papa, ...Paapa komm", hörte ich es dumpf durch die noch geschlossene Schlafzimmertür. Dann war es still. Vorsichtig streckte ich die Nasenspitze unter der Decke hervor, drehte mich um und schloss die Augen. Nur ein halbes Stündchen, eine Weile vor sich hin träumen, einen Augenblick im Kissen versunken muckeln. Keine Chance! Die Tür wurde gesprengt, oder hatte man beim Öffnen vergessen, die Klinke herunter zu drücken und dabei das Schloss heraus gerissen. Vielleicht war auch der Rahmen beschädigt, dann hatte man wenigstens nach dem Frühstück keine Langeweile. Instinktiv zog ich die Decke wieder über den Kopf, doch ich war nicht der Einzige und schon gar nicht der Schnellste. Eine kalte Hundeschnauze, die zu einem riesigem Neufundländerkopf gehörte, grub sich unter die Federn und besorgte die Morgenwäsche. Offensichtlich hatte dieser schon gefrühstückt. Zumindest ließ es der Atem des Ungeheuers vermuten.. Bevor ich das Gesicht mit dem Ärmel des Schlafanzuges noch trocknen konnte,spürte ich einen heftigen Schlag in den Rücken und eines der drei Orgelpfeifen, die eine Ehe zu einer Familie machen, zog mir an den Ohren. "Steh endlich auf, du hast Geburtstag", hörte ich sie jetzt im Chor brüllen. Als wüsste ich das nicht oder hätte es vergessen. Mit an den Füßen kitzeln, auf dem Rücken herum springen und Decke stehlen schaffte man die Kapitulation, und ich entschloss mich, doch aufzustehen.

Mit zerzausten Haaren und der grölenden Bande, die jetzt auch noch versuchte, mir die Schlafanzughose herunter zu ziehen, tigerte ich ins Bad. Die Tür hinter mir geschlossen, stützte ich mich auf das Waschbecken und blickte erwartungsvoll in den Spiegel. Eigentlich siehst du noch genau so aus wie gestern morgen, dachte ich. Genauso verschlafen, genauso unrasiert, und die Haare sind über Nacht auch nicht grau geworden. Was hat sich also geändert ? Außer der Zahl hinter der dreißig, die jetzt um eins mehr geworden ist. Bevor ich noch weiter denken konnte klopfte es schon an der Tür. "Bist du fertig?" rief eine kleine aber schrille Stimme ganz aufgeregt."Noch nicht, mein Sohn",entgegnete ich. Ich legte einen Schritt zu, wusch mir das Gesicht, putzte die Zähne und hatte gerade den Rasierschaum mit dem Pinsel in den Bartstoppeln gleichmäßig ein massiert, als die Tür mit roher Gewalt, natürlich wieder ohne die Klinke herunterzudrücken gestürmt wurde.

Vor mir stand die kleine schrille Stimme. "Ich komm gleich", fuhr ich ihn mit erregter Stimme an. Mit seinen großen runden Augen starrte er mich nur an und sagte jetzt ganz leise:"Ich muss mal .....Groß". Während ich mich rasierte saß der Kleinste nun singend und mit baumelnden Beinen auf der Toilette und verbreitete den Duft der großen weiten Welt, den ich wohl nur schwerlich mit meinem teuren Aftershafe aus meiner Nase vertreiben werden würde. "Ich bin fertig !", rief er plötzlich aus heiterem Himmel ganz stolz. "Autsch" schrie ich und merkte, wie die Klinge ein Stück Haut anstatt ein Barthaar erwischte. "Hat sich doch etwas geändert", fuhr es mir durch den Kopf, als ich nochmals in den Spiegel sah. "Eine Narbe mehr". 

Als ich das Wohnzimmer betrat, warteten die übrigen Familienmitglieder schon ungeduldig und begannen sogleich schief aber laut, das Geburtstagsständchen zu präsentieren. Geduldig und mit einem Lächeln hörte ich zu und hoffte doch im Stillen, dass es bald vorbei sei. Allein schon wegen der Nachbarn. Gern hätte ich jetzt erst gefrühstückt, doch die ungeduldigen und mitleidigen Augen derer, die keinen Geburtstag hatten, ließen mich dazu hinreißen, vorher die Geschenke auszupacken. Mit Spannung öffnete ich vor allem die Geschenke der Kinder, die aufwendig in altes Zeitungspapier oder Schreibmaschinenblätter eingewickelt waren und aus Spielzeug vergangener Zeiten, das sie in einer vergessenen Ecke fanden, bestand. Jetzt gaben sie Ruhe, und ich kam endlich zu meiner Tasse Kaffee.

Der Rest ist schnell erzählt. Den Vormittag verbrachte ich mit Hausarbeit, was ich gewöhnlich nicht tue, aber man möchte ja nicht die gute Stimmung des Tages unnötig aufs Spiel setzen. Am Nachmittag kamen dann die ersten Gäste, wie immer natürlich viel zu früh, weil die Frau noch das Bad besetzte, und man selbst als die Klingel ertönte, nicht wusste, soll ich im Bademantel öffnen oder mir noch schnell eine Jeans überziehen? Der Abend gestaltete sich feuchtfröhlich, vor allem für den Teppichboden, da manche Gäste wohl keinen Durst mehr verspürten und das Glas geschickt mit einem "Hopla" über den Tisch zum Fußboden entleerten. Am nächsten Morgen führte eine mehrstündige Aufräumaktion zu dem festen Entschluss:

"Im nächsten Jahr gehen wir die Sache ruhiger an oder feiern vielleicht auch mal gar nicht.

Thomas Halbach
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